Forschungsüberblick


Mein Anliegen mit der Forschung ist es seit jeher, Brücken zu bauen, das heißt meine unbändige Neugierde am Verstehen (z.B. „Was wirkt, wenn sich Menschen in Trance singen und wie wirkt es?“) mit der Freude an der sinnlichen Erfahrung (z.B. „Wie fühlt es sich an, singend mit dem Klangkörper einer Gemeinschaft zu verschmelzen?“) zu verbinden.

So habe ich mich der Bewusstseinsforschung gewidmet mit dem Fokus auf den Wirkungen von Stimme, Klang und Trance in der Psychotherapie. Unter meiner Leitung wurden am Institut für Medizinische Psychologie der Universitätsklinik Heidelberg 4 Studien durchgeführt, ausgewertet und in Publikationen umfangreich veröffentlicht.

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Forschungsprojekte im Überblick
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Projektzeitraum: 1996 – 1999
Stimme und Musik in der Psychotherapie (StimMusTher)

„Stimme ist leibhaftige Biografie“ (Gundermann).
Die Stimme ist ein Phänomen, das als primäre Expressivform des Menschen den logisch-rationalen Sprachinhalt an die emotionale Bedeutungsgebung koppelt. Prismengleich kristallisieren sich in ihr sowohl vielfältige Persönlichkeitsaspekte als auch vorübergehende Stimmungen. Über den interpersonellen Aspekt der nonverbalen Kommunikation hinaus kann speziell das Singen intrapersonell komplexe psychophysiologische und emotionale Veränderungsprozesse bewirken. Ziel dieser Pilotstudie war es, Wirkfaktoren herauszuarbeiten, in denen sich die (bislang in der Psychotherapieforschung unterschätzte) Bedeutung des stimmlichen Ausdrucks in der therapeutischen Beziehung verdichtet.


Projektzeitraum: 2001 – 2004
Klang und Trance im EEG – Brainmapping verschiedener Tranceinduktionsmethoden im rituellen Setting

In dieser Studie wurden die Zusammenhänge zwischen subjektivem Tranceerleben, objektivierbarer Trancetiefe, messbarer Vigilanz und lokalisierbarer Gehirnaktivität im topographischen Elektroenzephalogramm untersucht.

Im Focus standen vier verschiedene erprobte rezeptive Verfahren, deren tranceinduzierende Wirkungen auf die Versuchspersonen gemessen und miteinander verglichen wurden:

  1. Körpermonochord
  2. monochrome Stimmklänge
  3. Peruvian Whistling Vessels
  4. eine „Rituelle Körperhaltung“ mit Rassel-Stimulation

Mit diesen Verfahren können sowohl primär trophotrope als auch primär ergotrope veränderte Wachbewusstseinszustände ausgelöst werden. Die Messungen wurden im Rahmen eines dem Forschungsgegenstand angemessenen rituellen Gruppensettings (naturalistisches Design) an einem Tag im September 2002 an der Abteilung für Medizinische Psychologie der Universitätsklinik Heidelberg durchgeführt.

Forschungsmethodisch wurden ein bildgebendes Verfahren (topographisches quantitatives Spontan EEG) kombiniert mit quantitativen (5D-APZ und PCI) und qualitativen Verfahren (Inhaltsanalyse von Spontanaufzeichnungen). Ziel dieser Pilotstudie war die wissenschaftliche Überprüfung und Fundierung rezeptiv musiktherapeutischer und aus dem Kontext der Anthropologie stammender Behandlungsverfahren zur Tranceinduktion, sowie deren Einbettung in Erkenntnisse aus der Bewusstseinsforschung.


Projektzeitraum: 2004 – 2006
Die Klang- und Mustermedizin der Shipibo-Conibo im Amazonastiefland von Peru
Beschreibung der psycho-physischen Wirkungen der Icaro-Gesänge aus Sicht der Ayahuasqueros und ihrer Klienten

Die Shipibo-Conibo-Shetebo sind ein indigene Volksgruppe der Ureinwohner Ost-Perus (Selva-Gebiet), die in mehreren Dörfern im Amazonastiefland am Oberlauf des Ucayalli, einem Quellfluß des Amazonas, angesiedelt sind. Sie beherrschen die außergewöhnliche „Kunst der geometrischen Muster“, die in vielfältiger Weise künstlerisch dargestellt werden: als Körperbemalung, als Stickerei auf Kleidung, auf Keramiken. Anhand der visionären Linienstrukturen im Energiefeld eines Menschen können die Heiler und Heilerinnen der Shipibo während des nächtlichen Heilrituals unter dem durch Ayahuasca veränderten Bewusstseinszustand den Gesundheitszustand des Klienten/der Klientin diagnostizieren.

Die Studie sollte dazu beitragen, das Wissen um den gezielten Einsatz von Musik, hier speziell der menschlichen Stimme, zur Induktion und Modellierung von veränderten Wachbewusstseinszuständen weiter zu vertiefen und anhand der oral tradierten Erfahrung ostperuanischer Ayahuasqueros zu fundieren. Die systematische Aufarbeitung dieses überlieferten Wissens liefert einen transkulturellen Beitrag zum fokussierten therapeutischen Einsatz von Musik und Stimme im Kontext westeuropäischer Psychotherapie.


Projektzeitraum: 2003 – 2005
Trance: Determinanten, Inhalte und Konsequenzen von Tranceerlebnissen
Eine empirische Studie am Beispiel „Ritueller Körperhaltungen“

Die Studie beschäftigte sich auf Basis empirischer Daten mit inhaltlich relevanten Fragen bezüglich der Art und Weise des Erlebens während durch „Rituelle Körperhaltungen“® induzierter veränderter Bewusstseinszustände. Hauptsächlich sind es zwei Themenschwerpunkte, die hier im Mittelpunkt standen. Auf der einen Seite stellte sich die Frage, ob Ähnlichkeiten in den Erlebnisberichten die Hypothese eines konkreten, voraussagbaren Erlebnisrahmens durch Einsatz der speziellen rituellen Körperhaltungen® stützen. Von entscheidender Bedeutung waren in diesem Zusammenhang die Kongruenz der Erzählungen sowohl auf interindividueller Ebene als auch hinsichtlich der aus themenspezifischer Literatur entnommenen Berichte. Auf der anderen Seite wurde die Frage des unterschiedlichen Erlebens veränderter Bewusstseinszustände bei Experten und Novizen untersucht.

Unter der Leitung von Sabine Rittner, Psychotherapeutin sowie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Heidelberg, wurde die Studie über einen Zeitraum von 3 Jahren realisiert. An der Studie nahmen 19 TeilnehmerInnen der jährlich stattfindenden Selbsterfahrungsgruppe „Reisen in die andere Wirklichkeit“ (Leitung: Sabine Rittner) teil. Es wurden die Tranceerlebnisse der Teilnehmer in der „Bärenhaltung“, im „Olmekischen Prinzen“, im „Saami-Schamanen“ und in der „Südmährischen Frau“ analysiert.


Musiktherapie bei Depression
Forschungsprojekt „Musiktherapie bei Depression“ mit Sabine Rittner, Christine Gäbel u.a. am Institut für Medizinische Psychologie der Uniklinik Heidelberg

Sabine Rittner hat aktuell die therapeutische Leitung der Studie „Musiktherapie bei Depression“ (MUSED). Es handelt sich um eine randomisiert-kontrollierte Studie zur Evaluierung psychobiologischer Effekte von Musiktherapie auf Depression bei erwachsenen Frauen. Menschen mit Depression weisen eine gestörte Emotionsregulation und damit einhergehende Defizite bei der Regulation psychobiologischer Stresssysteme auf. Musiktherapie ist ein komplementärer therapeutischer Ansatz, der zu einer wirksamen Behandlung von Depression beiträgt. Erste Studien zeigen, dass Musiktherapie depressive Symptome und deren psychobiologische Mechanismen positiv beeinflussen kann.